Hier können Sie einen schönen Artikel über das Konzert lesen:


http://sesekegefluester.de/blog/2014/08/24/umjubelte-urauffuehrung-fehling-beda-begeistern-konzertaula


Und hier können Sie etwas hören:

Apokalypse (Text: Fritz Löhner-Beda/Musik: Reinhard Fehling/Tenor: Georg Poplutz)
Buchenwaldlied (Text: Fritz Löhner-Beda/Musik: Hermann Leopoldi/Arrangement: Reinhard Fehling/Gesang: Heuler-Projektchor)




Auch eine CD - Live-Mitschnitt vom 23. und 24. 8. 2104 ist fertig

und kann über einen Gästebucheintrag bestellt werden.


Abseits vom Gewühl und Tanze

Steht der Dichter von ‚det Janze‘,

unbeachtet von den Leuten –

denn er hat nichts zu bedeuten.“ (Fritz Löhner, 1928)

 

!!!Ausgerechnet Fritz BEDA!!!

So lautet der Titel eines Programms, das mit Chor, Tenor und Orchester besetzt ist und am 23. 8. 2014 (Wiederholungskonzert am 1. 11.) in der Konzertaula Kamen und am 24.8. in der Aula der Geschwister-Scholl- Gesamtschule Lünen uraufgeführt wurde. Sein 2. Teil enthält - neben Fritz Löhners bekanntem Buchenwälder Marsch, der von Hermann Leopoldi in Musik gesetzt wurde - die wohl ersten Vertonungen seiner 12 weithin unbekannten - gleichfalls im KZ Buchenwald verfassten - Gedichte. Der Verfasser dieses Textes hat sie zu einem fünfteiligen Zyklus gruppiert, der auf den Buchstaben F - B - E - D - A aufgebaut ist. Diese Buchstaben figurieren als Töne, die sowohl die Basistöne der 5 Teile darstellen als auch ein musikalisches Motiv (verwandt dem berühmten B - A - C - H), das den Teilen eingewebt ist und diese strukturell zusammen hält. Der Zyklus dauert ca. 45 Minuten und ist liedhaft gehalten, bei stetigem Wechsel und wechselnder Kombination von solistischen und chorischen Passagen. Er  integriert auch zwei 'Fremdtexte', einmal Goethes 'Wanderers Nachtlied' ('Der du von dem Himmel bist...'), in Erinnerung an die sogenannte Goethe-Eiche auf dem Gelände des KZ, in deren Nähe Goethe die Inspiration zu zwei Gedichten dieses Titels gekommen sein soll. Der zweite ist der Schlusstext aus Jura Soyfers 'Lied von der Erde', das mit dem Motiv des Buchenwald-Liedes 'Ja zum Leben sagen' korrespondiert.

Der 1. Teil des Programm enthält viele der großen Hits des Fritz Beda. Die sind nach wie vor populär und viel bekannter als ihr Autor. Ob ‚Ausgerechnet Bananen‘, ob ‚Donna Clara‘ oder ‚Was machst du mit dem Knie, lieber Hans?‘, sie alle zeugen von seiner unverkennbaren und zugleich populären Formulierungskunst.

Doch wer ist eigentlich dieser hinter seinem Werk vollkommen zurücktretende große Unbekannte, der bis zum Jahre 1938 durch seine großen Erfolge zum Millionär aufgestiegen ist und dann mit einem Schlag aus seinen Träumen und seiner Familie gerissen und als einer der ersten Prominenten Wiens ins KZ Dachau verschleppt wurde? Wer ist dieser Hans-Dampf der Unterhaltungskunst, der in seiner zweiten KZ-Station in Buchenwald zusammen mit seinem Freund Hermann Leopoldi das international bekannte Buchenwald-Lied verfasst hat und darüber hinaus rund ein Dutzend bis heute weithin unbeachtete, anrührende Gedichte?

Unbeachtet von den Komponisten ruhte dieser Schatz bisher, erstaunlich für einen Autor, dem seine Texte einst aus der Hand gerissen und tagesaktuell vertont wurden. Erstaunlich auch, weil sie doch Auskunft geben über ein Leben, das hoch stieg und tief fiel, und darüber, was davon als Dichtung übrig blieb. Zu hoffen ist, dass – aufgehoben in Musik - der ganze Fritz Beda ein Stück weiter aus dem Schatten tritt.

Bedřich Löwy, Friedrich oder Fritz Löhner oder Löhner-Beda, Dr. Löhner, Fritz Beda oder kurz Beda (die Koseform von Bedřich) – das waren die verschiedenen Namen jenes Mannes, der am 24. Juni 1883 im böhmischen Wildenschwert alias Ústí nad Orlicí das Licht der Welt erblickte. Es war die Zeit als ‚Behmen noch bei Estreich war‘ und er gerade im fünften Jahr, da zog es die Familie in das Zentrum des Königreichs Österreich-Ungarn: nach Wien. Man deutschte bald den tschechischen Namen ein. Aus dem Löwy wurde ein ‚Löhner‘, man passte sich an und mischte erfolgreich mit in der neuen Welt. Am jüdischen Glauben aber hielt man fest. Auch als Fritz Löhner war Bedřich Löwy das mosaische Bekenntnis zeitlebens wichtig.

Nach der Matura auf dem Landstraßer Gymnasium (der Komponist Hanns Eisler wird 15 Jahre später dort maturieren) studiert er Jura und schließt als blutjunger Dr. jur. ab. Seine Karriere in diesem Metier ist aber nur von kurzer Dauer. Schon das Jahr 1910 sieht ihn als freien Schriftsteller. Er schreibt Satiren, Sketche, Gedichte und weiß schon früh, was ankommt. Er hat seinen (jüdischen Dichterkollegen) Heine gelesen und damit ein Band zur literarischen Tradition geknüpft, vor allem aber weiß er, woher der Zeitgeist weht und welche Themen in der Luft liegen.

Der erste Weltkrieg macht ihn (ganz unheine-isch) zum eifrigen Propagandisten des nationalen Gedankens. Sein Hang zum "alten, lieben, guten Kaiser", den er schon 1908 lieb hat "als ob’s mein Vater wär", macht ihn blind für die Vorzüge anderer. Franzosen, Engländer, Russen, Italiener, besonders die sie Regierenden übergießt er mit hämischen Versen, zwischen 1914 und 1916 von Woche zu Woche in der Wiener Sonn- und Montagszeitung erscheinend und schließlich für billige 30 Heller (davon 10 zugunsten des Kriegshilfsbureaus des k.k. Ministeriums des Innern) in der Sammlung ‚Bomben und Granaten‘. 1915 schreibt er einen Text, der erst fast 60 Jahre später – als gewendeter Schlager – richtig ‚einschlagen‘ sollte: ‚Rosa, wir fahr’n nach Lodz‘.

 

Der Franzl hat a neue Braut, seit er beim Militär ist. 
Die ist ganz tadellos gebaut, wenn's auch ein bisschen schwer ist. 
Sie stammt zwar nicht von Doda, sie stammt vielmehr von Skoda. 
Die Taille dieser Nymphe ist sechsunddreissig-fünfe. 
Lang hat der Franzl nachgedacht, 
wohin die Hochzeitnacht er macht. 
Da plötzlich kam das Kriegsgebraus, 
Und Franzl rief begeistert aus: 
Rosa, wir fahr'n nach Lodz 
Rosa, wir fahr'n nach Lodz 
Es geht direkt ein Zug von Wien. 
Der Hötzendorf (österreichischer General), der fahrt bald hin, 
es geht direkt der Zug von Wien. 
Rosa, wir fahr'n nach Lodz.

 

Soweit die Lyrik. In Prosa ist die Rosa, die sich in ‚Feindesland‘ aufmacht, ein 30,5 cm – Mörser der Firma Skoda und prangt in ihrer ganzen fettleibigen ‚Poesie‘ auf dem rückwärtigen Umschlag des ‚Bomben‘-Hefterls:

 

 

 

Bedas Sinn für einprägsame Zeilen macht auch vor dieser ‚Rosa‘, einer der tödlichsten Waffen des 1. Weltkriegs, nicht halt.

Verkauft er sich wegen einer Pointe an den Teufel?

Objektiv gewiss - subjektiv hat er an den Krieg als große Bewährungsprobe geglaubt, wie manche andere (Künstler) seiner Generation auch. Es lohnt, die Argumentationsgrundlinie seiner Kriegsgedichte zu betrachten. Die Kriegsgegner - in der Regel nicht die Völker (mit ihrer auch von Beda nicht zu negierenden Kultur und Tradition), sondern ihre verführenden Führer – werden als kriegslüstern, macht- und geldversessen, oder als eitle Schwätzer dargestellt, wie im Gedicht ‚Franzosen‘ vom 3. Jänner 1916:

So war es einst: Das Volk war stark
und aufrecht wie die Tannen,
es hatte Stolz und Glut im Mark
und hasste die Tyrannen;
es hasste Lug und Niedertracht
und ihre Harlekine.
Die blut’ge Wahrheit war erwacht
Und schuf die Guilliotine.
Danton, Marat und Robespierre
zerschlugen die Idylle,
das Volk zerriss die Lügenmär
und nahm sie d i e B a s t i l l e. – -

 

So ist es jetzt: Das Volk ist stumpf
Und lässt sich blind düpieren
von eitlen Schwätzern dumm und dumpf
zu jeder Schlachtbank führen.
Für Albion (i.e. die britischen Inseln) sein Blut verspritzt
Des Landes jüngster Sprosse,
der Zarenstiefellecker sitzt
im elyseeischen Schlosse;
er taucht der Lüge Morphium
in eine süße Hülle,
das Volk w i l l das Narkotikum
und nimmt sie, d i e P a s t i l l e.

 

Oft liegt der poetische Witz in der karikierenden Personifizierung. Im fremden Lager nimmt er die Politiker und Generäle, gerne auch vermeintliche Inkarnationen des Nationalcharakters (John Bull oder den gallischen Hahn) aufs Korn, im eigenen die Zaghaften, die Räsonnierer, Herren wie den Nörgelmayer, den Unke, den Zappelig oder den Schaukelmann, die aus der Etappe alles besser wissen, sich in Wahrheit nur für ihr eigenes (Geld, Aktien, Fortkommen etc.) interessieren, aber für den kollektiven Waffengang zu fein und feig sind.

Diese argumentative Konstruktion funktioniert – mit der Macht im Rücken - in Kriegszeiten, ist aber für Beda, der sich in seinen Gedichten bei aller Tagesaktualität immer wieder bei den humanistischen Bildungsgütern (z.B. den Mythen und Göttern der Antike) rückversichert, auf Dauer zu schwach.

1918 zerfällt die Monarchie und Beda ahnt, woher der Wind diesmal weht. Ein Zeitalter bricht an, das statt des nationalen Eifers die kurzfristig weit weniger gefährliche individuelle Vergnügungssucht kultiviert. Ein gefundenes Fressen für den wendigen, geistvollen Verseschmied, der sogleich die gigantischen technischen Möglichkeiten der kommerziell ins Laufen kommenden Schallplatte be- und ergreift und in den Kinderschuhen des Rundfunks die Siebenmeilenstiefel voraussieht.

Beda – seit Zeitungstagen mit einem Gedicht pro Woche gewohnt, in Serie zu produzieren und damit hochgeeignet für industriell verwertbare Kunst - springt auf den Zug. Er kennt die Richtung und die Leute, die den Kessel unter Dampf halten können: Die erste Garde der (seinerzeit noch handwerklich gediegenen) Unterhaltungsmusiker, die Falls, Katschers, Beneš usw. usf., mit denen er einen Hit nach dem anderen durch den Äther und via Hochantenne auch zur Adrienne schickt, Kabarettler aller Grade (vor allem Fritz Grünbaum), die Stars und Sternchen der Schauspielerei. Auf jedem Brettl und auf allen Brettern, die die Welt bedeuten, ist er zuhause. Für den jungen Hans Moser schreibt er 1922 den Solo-Einakter ‚Ich bin der Hausmeister vom Siebenerhaus‘ und lernt schließlich den Meister der Wunschtraumoperette Franz Léhar kennen, der schon 1905 auch einen jungen, mittellosen Kunststudenten namens Hitler mit seiner ‚Lustigen Witwe‘ begeistert hat und der nicht zuletzt auch ein Meister des Erfolges ist. Für Beda ist es schon 1916 - zur Halbzeit des Krieges – so weit: Sein ‚Sterngucker‘ mit der Musik Léhars hat in Wien Premiere. Kein großer Erfolg ist zu feiern. Der stellt sich erst ein, als er gemeinsam mit Ludwig Herzer den Komponisten überzeugt, seine vergleichsweise erfolglosen Operetten ‚Endlich allein‘ (1914) und ‚Die gelbe Jacke‘ (1923) einer bühnenwirksamen Revision zu unterziehen. Beda, der Lyriker (im Bild rechts), ist hauptsächlich für die Liedtexte zuständig, während Herzer (links), der Dramatiker, die Handlung neu konzipiert. So helfen sie dem alten k. u. k. Militärkapellmeister, dem noch Antonin Dvorak zur Komponistenlaufbahn geraten hatte, auf die neuesten Sprünge. Besonders ‚Das Land des Lächelns‘ (vorm. ‚Die Gelbe Jacke‘) wird, jetzt mit mehrdeutigem Sad-End statt mit eindeutigem Happy-End, für die drei, besonders aber für Léhar (Mitte) 1929 ein Riesenerfolg.

 

 

 

So groß ist der Erfolg, bzw. die Kette der Erfolge (die Operette ‚Friederike‘ – kommt 1928 heraus, ‚Giuditta‘ noch 1934!), dass Fritz Löhner bis weit in seine Haftzeit auf das Freundschaftsband zum Komponisten große Hoffnungen setzt. Einstweilen sind sie auf Erfolg programmiert, allerdings jetzt nicht nur beim liberalen, gebildeten Bürgertum, sondern bei allen, die von Rundfunk, Schallplatte und den massenwirksam inszenierten Operettenspektakeln (‚Das Land des Lächelns' kommt 1930/31 sogar als Tonfilm heraus) erreicht werden. Parodie, Ironie und Satire (das Heinesche Erbe) verschwinden und geben ‚großen‘ Gefühlen Raum. Diese sind so ‚groß‘, dass hinter ihnen die ‚kleinen‘ Sorgen der an Krisen reichen Gegenwart verschwinden (sollen). ‚Freunde, das Leben ist lebenswert‘ oder ‚Dein ist mein ganzes Herz‘ werden vom Tenor Richard Tauber mit so viel Schmelz und Schmalz gesungen, dass ungestilltes Verlangen in Wonne zerfließen kann und ganz nebenbei die totgeglaubte Operette zu neuem Leben erweckt wird.

Natürlich rufen solche an Klischees reiche und nahe am Kitsch angesiedelte Produktionen von Anfang an die Kritiker auf den Plan. So schreibt Karl Kraus schon 1913 in der ‚Fackel‘: „Wenn man abends ‚Die lustige Witwe‘ … genossen hat, so ist man nachher sicher nicht mehr zur Revolution aufgelegt“; Alfred Polgar notiert in der Theaterzeitschrift ‚Die Schaubühne‘ Süffisantes über das Libretto des ‚Sterngucker‘: „Ein Verdienst des Librettos, das ich zu würdigen weiß, ist die Heranziehung mehrerer junger, frohgemuter Mädchen zur intensiven Beschäftigung auf der Szene“; und Kurt Tucholsky nennt in ‚Léhar am Klavier‘ den Komponisten 1931 “dem kleinen Mann sein Puccini“ und kommt zu dem Schluss: „Brot und Spiele … Mit dem Brot ist es zur Zeit etwas dünn. Na, da spieln mir halt. Léhar, mein Léhar, wie lieb ich dich -!“

Deutlich wird, auf welches Pferd Dr. Fritz Löhner (‚Beda‘ nennt er sich bei den großen Produktionen immer seltener) setzt. Mit der linken, kritischen Intelligenz verbindet ihn wenig. Unruhen, gar Revolutionen und/oder Bolschewiken, selbst genossenschaftliche Versuche im ‚Roten Wien‘ zur Regelung der Ladenschlusszeiten sind für ihn Freiheitseinschränkungen und jedes für sich ein Gräuel.

Dr. Fritz Löhner-Beda – also ein Reaktionär? Ein prinzipienloser Tantiemenmillionär, der schließlich abgehoben in der Bad Ischler Villa ‚Schratt‘ auf mehreren Etagen mit Frau, 2 Töchtern und etlichen Dienstboten auf einem quadratkilometergroßen Grundstück residiert?

Wenn man seine Werke überblickt fällt auf, dass es einige Grundüberzeugungen gibt, die er nicht aufgibt, auch wenn die Zeit dagegen steht. Da ist in erster Linie sein Judentum. Zwar ist auch er, wie die meisten Juden ein hoffnungslos treuer Staatsbürger. Doch schon sehr früh wendet er sich gegen allzu große Assimilationsbestrebungen seiner Glaubensbrüder. In den Gedichtsammlungen von 1917 ‚Israeliten und andere Antisemiten‘ und ‚Getaufte und Baldgetaufte‘ geißelt er das Dazugehören-Wollen um jeden Preis. Letzterer gibt er ein Geleitwort:

 

Was hilft’s, dass ich mit Ernst und Hass
Gepredigt und geschrieben?!
Sie kriechen d o c h zum Weihrauchfass,
das Pack ist Pack geblieben.

 

Folgerichtig pflegt er jüdisches Leben und gründet sogar 1909 den jüdischen Fußballclub ‚Hakoah‘ (‚Kraft‘), dem er als Gründungsmitglied eine Weile vorsteht, in dem er selbst – kräftig wie er ist – mit Erfolg das Leder tritt und den er 1925 zur österreichischen Meisterschaft im Profifußball führt. Auch unter Bedrohungen – etwa als z.B. Zell am See in den späten zwanziger Jahren jüdische Touristen für unerwünscht erklärt – hält er stand und kämpft mit ironischen Versen:

 

Alle sind es, die wir luden,
exklusive die Herrn Juden,
denn wir halten unsre Sitten
rassenrein und unbeschnitten;
und der Gegend schönster Reiz
sei fortan das Hakenkreuz!

 

Dass es später noch ärger kommen würde, wollte er (noch) nicht glauben.

Sein selbstbewusstes Judentum entbehrte jeder agressiv-bekehrenden Note nach außen. Es war bestimmt vom Prinzip ‚leben und leben lassen‘. Nicht einmal sein früher(er) Nationalismus war ja rassistisch motiviert. Die Kriegsgegner griff er vor allem wegen des angeblichen Verratens ihrer eigenen großen Kultur an und nicht wegen einer minderwertigen. Unter den Bedingungen der Nachkriegszeit paarte sich diese Grundeinstellung mit einer neuen Weltoffenheit, Entdeckerneugier und Freude am Lebensgenuss. Als die Nazis die Krenek-Oper ‚Johnny spielt auf‘ störten, reagierte er mit spitzer Feder unter dem Titel ‚Die schwarze Gefahr‘:

 

Die jungen Herrn vom Hakenkreuz –
Wo ist die Bonne, die sie schneuz‘?!
Sie planen ‘gen den Johnny-Rummel
Den sogenannten Straßenbummel.
….

 

Die Hosenträger der Kultur
Sie leisten einen heil’gen Schwur,
zu tilgen diese Schmach des Johnny;
der Industriebund gibt das Monney.

 

oder als die schwarze Tänzerin Josephine Baker mit ihrem erotischen Bananentanz die Spießer in Rage brachte:

 

Die Baker tanzt wohlgemut
Mit baumelnden Bananen;
Dass ein Malheur passieren könnt‘,
wie konnte sie das ahnen?!

 

Kein schwarzer Mann in Afrika
Hätt‘ jemals nur gewittert,
dass von dem bissel Niggertanz
die Wiener Kunst erzittert.

 

Das Pendant zu dieser Weltoffenheit, die natürlich auch mit der internationalen Verwertung seiner eigenen Produktionen zu tun hat, ist sein Bekenntnis zu Wien. Die Gattung des ‚Wienerliedes‘ ist sehr speziell im Changieren zwischen selbstverliebter Sentimentalität und unverstellter Heimatliebe. Letztere zeigt sich u.a. darin, dass man genau hinschaut – und das kann ein ‚Zuagroaster‘ besonders gut und so einer mit dem Blick und der Sprache eines Beda am besten. Er weiß, wie’s ausschaut z.B. ‚Drunt in der Lobau‘ (1926),

 

wo die Donau mit silbernen Armen umschlingt
‘s letzte Stückerl vom träumenden Wien…

 

und natürlich auch in Wien selbst:

 

Und wieder geh‘ ich durch die engen Gassen,
wo scheu geduckt die alten Häuser steh’n;
die Biedermeierhöfe sind verlassen,
die kleinen Fenster trüb hernieder seh’n.
Zwei müde Weiblein steh’n auf der Pawlatschen (i.e. Treppenumgang in den Hinterhäusern)
mit Einkaufstaschen, die so mager sind
wie ihre Wangen, seufzen schwer und tratschen;
beim Brunnen spielt ein bleiches Wiener Kind.

 

Da mischt sich in die Sentimentalität plötzlich eine Prise Sozialkritik, besser: es rückt ein Stück soziale Realität ins Bild, die in der nächsten Strophe noch verstärkt wird:

 

Doch nagt das Heut‘, wo man für’s Morgen borge,
um’s gold’ne Kalb tanzt man im fremden Takt,
die Armut reicht die Hand der Mutter Sorge,
und mag’re Kinderfüßchen trippeln nackt.

 

Man erwartet nun fast einen Aufruf zur Maifeier 1922, doch der Refrain biegt es wieder zurück ins Sentimentale:

 

Wien, Wien, Wien, sterbende Märchenstadt
die noch im Tod für alle ein freundliches Lächeln hat.
Wien, Wien, Wien,
einsame Königin
im Bettlerkleid,
schön auch im Leid
bist du, mein Wien!

 

So nah liegen im Auge Bedas die Hinterhöfe und die ‚Stadt des Lächelns‘ nebeneinander. Im (gleichfalls jüdischen) Komponisten Hermann Leopoldi hat er für diese Sicht einen kongenialen Partner gefunden. Wer konnte da schon ahnen, dass ihre letzte Zusammenarbeit unter entwürdigenden Umständen stattfinden würde: 1938 im KZ Buchenwald bei der Schaffung des ‚Buchenwälder Marsches‘.

Man versteht bei solchen Wiener Versen aber auch, wie unbegreiflich und irreal die Vorstellung für einen wie Beda sein muss, dass ihm je diese Stadt weggenommen werden könnte, die er so oft und so schön besungen hat. Jeder Liedtext ist auch eine sprachliche Inbesitznahme und das kollektive Gedächtnis der Wiener ist gesättigt mit solchen liebevollen Versen. Wie könnten sie es je zulassen, dass einer wie er aus ihrer Mitte entfernt wird? Sie würden ein Stück von sich selbst weggeben!

Die polare Entsprechung zu diesem Zugehörigkeitsgefühl ist sein Freisinn. Einengung, Zwang, Spießertum, Vereinsmeierei, Sinnenfeindlichkeit und was derlei noch wäre, sind ihm verhasst. Auch in seinen späteren Werken schwingt ein autoritätskritischer Hedonismus mit, der sich schon in seinem schon erwähnten 1908-er Bekenntnisgedicht auf den ‚alten lieben, guten Kaiser‘ ankündigt, den ‚mit den blauen Augen und den Silberhaaren‘:

 

Ich bin fürwahr keine Lakaienseele,
und kein gereizter Kirchweih-Veteran;
mir imponieren nicht mal Generäle,
ich bin kein demutsvoller Untertan,
ich bin kein Freund solenner Lorbeerreiser
und das ‚Hurrah!‘ fällt mir verteufelt schwer

 

bevor es zu aufmüpfig wird, kriegt er aber noch die Kurve:

 

Jedoch den alten, lieben, guten Kaiser,
den hab‘ ich lieb, als ob‘s (weiteres s.o.)….

 

Elf Jahre später nimmt sein Freigeist eine andere Kurve und macht sich im sozialdemokratisch-linksliberal inspirierierten Magazin ‚Der Götz von Berlichingen. Eine lustige Streitschrift gegen alle‘ als Sprachrohr des aufstrebenden demokratisch gesinnten Mittelstandes über den - an alten Privilegien hängenden - Adel her:

 

Alles will man ihnen nehmen,
was die armen Kerls besitzen!
Auto, Schmuck und Wertpapiere,
selbst der Wagen mit den Pferden
und der Diwan mit der Freundin
soll zur Hälfte staatlich werden ---
so manche Hose wird das nicht entzücken –
ich bin’s gewohnt, mich nobel auszudrücken.

 

Von sich weiß er, dass sein Besitzstand im Kopfe sitzt, und so schreibt er weiter:

 

Hinter meiner freien Stirne
ist der Safe mit meinen Renten,
welche unsere Finanzer
sicher gut verwenden könnten.
Jedoch sie können mir nur rutschen längs dem Rücken…
Ich bin’s gewohnt, mich nobel auszudrücken.

 

 

Auch sein poetisches Eintreten für das Recht einer (dunklen) Frau auf Studium an der Wiener Universität (1923 ein aktueller Vorgang) passt zu dieser Geistesrichtung. Unter der ironischen Überschrift ‚Gefahren des Frauenstudiums‘ notiert er im ‚Lausbub‘, einer satirischen Seite in der vormals kriegsfrohen ‚Wiener Sonn- und Montagszeitung‘:

 

Friedlich weilte in der Aula
auf der Universität
Fräulein Obermüller Paula,
die daselbst studieren tät…

 

Sie war ein unfehlbare
Arierin aus Oberlaa;
Leider hat sie schwarze Haare –
Grund hiefür, was nun geschah.

 

Es marschierten stramm und wacker
Übern Schottenring herbei
Fünfundzwanzig Furchenkacker
Von der Bodenkulturei …

 

 

Solche Vorboten des Unheils hat Beda schon sehr früh gesehen. Ihm war klar, dass sein Sinnen und Trachten nicht mit der gestriegelten und gestiefelten Politik der Braunen vereinbar war. Und so war er – mehr persönlichkeitsstrukturell als politisch - schon sehr früh und sehr entschieden Antinazist.

Am 12. März 1938 um 5 Uhr 30 morgens marschieren Hitlers Soldaten in Österreich ein. Schon einen Tag später um vier Uhr früh steht ein bewaffneter Trupp Polizisten vor der Tür im ersten Stock der Langegasse 46. Sie nehmen Fritz Löhner  mit und schreien seine Frau Helene an.  Die beiden Mädchen Liselotte und Eva weinen.  Sie bringen ihn ins Gefangenhaus des Polizeipräsidiums an der Elisabethpromenade - von den Wienern wegen seiner Lage 'Liesl' genannt. Als von dort am 1. April der 'Prominententransport Nr. 1' nach Dachau losgeht, ist Fritz Löhner dabei. Am Westbahnhof werden sie von der Polizei der SS übergeben.Auf dem Transport müssen sie auf Befehl von zunehmend betrunkenen Wachmannschaften unter die Bänke kriechen, in die Gepäcknetze klettern, ins elektrische Licht starren, ohne zu zwinkern; Hunderte Kniebeugen machen, Mitgefangene abohrfeigen oder ins Gesicht spucken. In Dachau kommt Fritz Löhner mit anderen österreichischen Juden in den Block 14, Stube 4. .

 

Seine junge Frau, die er 1925 geheiratet hatte, kann in Erfahrung bringen, wo ihr Mann gefangen ist. Besuchen darf sie ihn nicht. Als er im Herbst nach Buchenwald gebracht wird, schickt sie ihm regelmäßig die erlaubten zehn Reichsmark. 

 

Finanzämter, lokale  NS-Parteiführer in Wien und Bad Ischl sowie die Gestapo machen sich über das Eigentum der Familie her. Mit pseudojuristischen Argumenten und enormem Druck, den die neuen antijüdischen Gesetze ermöglichen, werden der Familie nach und nach Tantiemeansprüche, persönliche Wertgegenstände, Kunstwerke und die Villa 'Felicitas' samt Inventar entzogen.

 

Am 31. August 1942 beginnt der letzte Akt: Wieder erscheinen Polizisten in der Langegasse 46. Helene muss ein Formblatt unterschreiben: 'Ich, der unterzeichnete Jude, bestätige hiermit, ein Feind der deutschen Regierung zu sein und als solcher kein Anrecht auf das von mir zurückgelassene Eigentum zu haben'. Sie werden abgeführt und müssen die Wohnungsschlüssel abgeben. Die Hausbesorgerin trägt in Löhners 'Meldezettel für Hauptmieter' ein: 'Gattin und 2 Kinder am 31. 8. 42 nach Minsk'.  Helene Löhner und ihre beiden Töchter werden im dortigen Vernichtungslager Maly Trostinec  wahrscheinlich gleich nach der Ankunft - noch drei Monate vor ihrem Mann und Vater - am 5. September ermordet. Fritz Löhner hat vom Schicksal seiner Familie nichts erfahren.

 

Er selbst wird am 17. Oktober1942 mit 405 anderen Mitgefangenen nach Auschwitz-Monowitz gebracht.  Dort schuften Tausende von Häftlingen für den Frankfurter Chemiekonzern IG Farben. Die Firmendirektoren arbeiten mit der SS reibungslos zusammen. Als am 4. Dezember fünf dieser Direktoren, die Herren Ambros, Krauch, Bütefisch, Dürrfeld  und ter Meer die Produktionsstätte besichtigen, fällt einem von ihnen der kranke und schwache Fritz Löhner auf und sagt: 'Der Jude dort könnte auch etwas rascher arbeiten.' Den nächsten Tag erlebt Fritz Löhner nicht mehr. Mitgefangene sagen aus, der kriminelle Häftling Josef Windeck habe ihn erschlagen.

Der KZ-Arzt Entress notiert als Todesursache 'Altersschwäche'.

 

 

Literatur:

Günther Schwarberg: Dein ist mein ganzes Herz, Göttingen 2000, Steidl

Barbara Denscher/Helmut Peschina: Kein Land des Lächelns, Wien 2002, Residenz-Verlag

Wolfgang Schneider: Kunst hinter Stacheldraht, Weimar 1973


Noten- und Klangbeispiele von 'Häftling X' und 'Ausgerechnet Bananen!' unter MEDIA